Gestern hat das Bündnis Istanbul-Konvention seinen Alternativbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland veröffentlicht. So steht in der Pressemitteilung des Bundesverbands für Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland geschrieben, "auch drei Jahre nach Inkrafttreten des Übereinkommens fehlen in Deutschland eine ressortübergreifende Gesamtstrategie, handlungsfähige Institutionen und die notwendigen Ressourcen, um das Recht aller Frauen und Mädchen auf ein gewaltfreies Leben umzusetzen, stellt das zivilgesellschaftliche Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) fest. Insbesondere für Gruppen, wie Frauen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, mit Behinderungen, diversen geschlechtlichen Identitäten oder in Wohnungslosigkeit, ist der in der Konvention verankerte Zugang zu Prävention, Schutz, Beratung und Recht nach wie vor mangelhaft.
Der in einem fast einjährigen Prozess erstellte Alternativbericht liefert eine differenzierte Analyse des Status Quo und zeigt dringend notwendige Schritte zur Umsetzung der rechtlich bindenden Konvention auf. Anders als der Staatenbericht der Regierung vom September 2020 weist der Bericht des Bündnisses auf die noch immer vorhandenen Lücken in der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen hin und formuliert detaillierte Empfehlungen. Als kritischer und zugleich konstruktiver Impuls nimmt er die Regierung dabei in die Pflicht. Bund, Länder und Kommunen müssen sich an diesen direkten Handlungsempfehlungen in Zukunft messen lassen, fordert das Bündnis.
„Unser fast 200 Seiten starker Alternativbericht ist ein Meilenstein. Wir haken drei Jahre, nachdem die Istanbul-Konvention in Deutschland geltendes Recht wurde, ein und zeigen genau auf, wo die Vorschriften nicht umgesetzt sind“, so Britta Schlichting von der Zentralen Informationsstelle Autonome Frauenhäuser, ZIF. „Noch immer sind Frauen und Mädchen in Deutschland durch Lücken im Hilfesystem nicht ausreichend vor Gewalt geschützt. Wir als NGOs treten hier in den direkten Dialog mit der Regierung, um den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt voranzubringen“, bekräftigt Dorothea Zimmermann, Vertreterin von BAG FORSA."
Die gesamte Pressemitteilung des bff - der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland - können Sie unter folgendem Link lesen: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/pm/pressemitteilung-des-buendnisses-istanbul-konvention-bericht-zu-gewalt-gegen-frauen-nimmt-bundesregierung-in-die-pflicht.html
WenDo - feministische Selbstbehauptung und Selbstverteidigung / Empowerment
In Artikel 12 Abs. 6 der Istanbulkonvention werden Maßnahmen zum Empowerment gerfordert, welche der Prävention von geschlechtsbezogener Gewalt dienen. In der Konvention wird die Notwendig der direkten Ermächtigung von Frauen und Mädchen zur Prävention und zum Schutz vor Gewalt deutlich benannt. In der deutschen Fassung der Istanbul Konvention wird "empowerment of women" leider nicht ganz trefflich mit "Stärkung der Rechte der Frauen" übersetzt. Dies verengt die Perspektive auf das Rechtssystem und schwächt die aktive Rolle der Frauen in der Entwicklung eigenständiger Handlungsstrategien im Abbau und der Prävention von Gewalt. "Direktes Empowerment dagegen ermöglicht die Auflösung alter Verhaltensmuster und Rollenzuweisungen, und wirkt mit neuen Handlungsoptionen auch primärpräventiv gegen Gewalt", steht es im Alternativbericht des Bündnisses Istanbul Konvention geschrieben.
In den Aktionsplänen der Länder ist, mit Ausnahme des Landesaktionsplans in NRW, Empowerment nicht mit in die Zielvorgaben aufgenommen worden, was sich auf die Finanzierung von Selbstbehauptungs- und Verteidigungskursen auswirkt. Auch wenn evaluierte Kursangebote mit nachgewiesener Wirksamkeit und Qualitätsstandards existieren, können diese aus finanziellen Gründen nicht flächendeckend angeboten werden. Gerade Frauen mit geringem finanziellen Einkommen, mit Behinderungen, wohnungslosen oder geflüchteten Frauen bleibt der Zugang zu empowernden Selbstbehauptungs - und Selbstverteidigungskursen damit leider oft verwehrt.
In diesem Sinne fordert das Bündnis Istanbul Konvention
"-> die Entwicklung und Etablierung eines umfassenden, intersektional ausgerichteten und wirkungsvollen Gesamtkonzeptes zur Prävention geschlechtsbezogener Gewalt,
-> ein umfassendes Gewaltschutzkonzept für Frauen und Mädchen mit Behinderungen, wohnungslose Frauen sowie für geflüchtete Frauen und Mädchen,
-> ein Empowerment für alle in Deutschland lebenden Frauen und Mädchen, sich gegen Gewalt,Diskriminierung und ungleiche Machtverhältnisse erfolgreich zur Wehr zu setzen,
-> ein Empowerment von Jungen und Männern, gleichberechtigte gewaltfreie Beziehungen mit Mädchen und Frauen zu leben und aktiv für die Gleichstellung und Solidarität zwischen den Geschlechtern einzutreten
-> diese Präventionsmaßnahmen unabhängig von Sozial- und Bildungsschichten und von der Herkunft der Zielgruppen diskriminierungsfrei zu gestalten"
Der Alternativbericht zur Istanbul Konvention kann hier heruntergeladen werden:
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